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5. Mirage-Rettung: Gruppe IV

---STORY 4/ EAST + CERAM

--- Oktober 1745

„Ahh, ma cherie! Da bist du ja endlich! Wir erwarten deine Ankunft bereits mit Sehnsucht!“ Selten war Kadija so galant begrüßt worden, daher sah sie über die Tatsache hinweg, dass sie den Mann, der ihr soeben aus der Kutsche half, gar nicht kannte.

„Excuse moi, ich wurde aufgehalten,“ sie versuchte, etwas zu sagen ohne ihre Verwirrung preiszugeben. Ihr Gegenüber verzog verständnisvoll das Gesicht. „Paris ist eine schreckliche Stadt um diese Zeit, all diese Menschen... aber wir wollen die Ballsaison doch nicht ungenutzt verstreichen lassen. Komm, meine Liebe.“

Kadija ergriff den ihr dargebotenen Arm und versuchte, in den Stöckelschuhen einigermaßen sicher durch den herbstlichen Schlamm zu laufen; ihr Begleiter hatte ähnliche Probleme und schwieg, was ihr Zeit zum Nachdenken verschaffte. Sie war hier zur Probe durch die Q. Sie kannte weder den hellerleuchteten palastähnlichen Prunkbau vor ihr, noch sah sie ein bekanntes Gesicht unter den dahinstrebenden Gästen.

Sie registrierte ihre Kleidung als ein empörend tief ausgeschnittenes Etwas aus grüner Seide mit allerlei Zierrat und eng geschnürtem Mieder, im Stile ähnlich den Kleidern der anderen Frauen. Die Männer stakten in verblüffend lächerlichen Kniehosen und Röcken aus Samt und Brokat daher. Sie befand sich in Paris, Q weiß in welcher Zeit.

Bevor sie die Treppe zum Einlass hinaufgestiegen waren, beugte ihr Begleiter sich zu ihr und flüsterte: „Denk an den Herzog. Wir brauchen soviel wie möglich. – Keine Sorge, es wird schon gut gehen,“ fügte er hinzu. Dann betraten sie den Ballsaal.

--- Später

Stirnrunzelnd fasste sich Kadija in der Privatsphäre des Toilettenraumes ans Strumpfband, wo ihre Finger einen kurzen Dolch ertasteten. In den letzten zwei Stunden hatte sie sich erfolgreich um die Gruppentänze gedrückt und verschiedene Gespräche aufgeschnappt. Aus denen schloss sie, dass sie sich auf einem Ball ihrer Majestät Louis von Frankreich befand, auf dem sich ebenfalls Charles Stuart aufhielt, der sie verschwörerisch angeblinzelt hatte. Augenscheinlich versuchte er, sich sein Geburtsrecht zu verschaffen.

[HtB: Das Recht der ersten Nacht?]

Um wieder König von Schottland zu werden, musste er die englische Vorherrschaft in Schottland beenden, dazu brauchte er Geld, um seine verbündeten Clanoberhäupter zum Aufstand zu überreden. Eine seiner Ideen war, Frauen auf eventuelle Geldgeber anzusetzen, damit sie sie überredeten, Prinz Charlie beizustehen. Kadija war also auf einen Herzog angesetzt, doch sie wusste nicht, welchen. Die unterschwellige politische Spannung auf dem Ball knisterte förmlich.

[HtB: Und irgendwo haben die Grünen da noch ihre Finger im Spiel]

Soeben starrte sie in den Spiegel, unmutig über ihre Situation und bewunderte gleichzeitig ihre Frisur, als sich die Tür öffnete und sie ein bekanntes Gesicht sah. Erstaunt drehte sie sich um. „Sie sind von der Mirage! Ich habe Sie bei der Verhandlung gesehen!“

"Madmoisell, hören Sie mir zu?" fragte jemand. Tamara blinzelte und sah ihr gegenüber fragend an. "Oh, verzeihen Sie. Was sagten Sie?" sagte Tamara schnell. Ihre Gedanken überschlugen sich. Eben noch war sie doch in diesem komischen Gerichtssaal und nun weiß Q wo.

Oder eher wann. Sie würde die Kleidung und die Frisuren ins Barock oder Rockkoko Zeitalter einordnen. Sie wußte aber nicht genau welche der beiden. Ihr Gesprächspartner erzählte munter weiter.

"Sie entschuldigen doch, Monsieur. Ich geh mir kurz das Näschen Puder." unterbrach sie ihn freundlich lächelnd.

"Natürlich." Tamara ging vorsichtig los, um ja nicht mit diesen unmöglichen Schuhen umzuknicken. Nach einiger Zeit der Suche fand sie auch das was wohl eine Toilette sein sollte.

Als sie die Tür öffnete blickte sie in ein erstauntes Gesicht und wurde mit den Worten: „Sie sind von der Mirage! Ich habe Sie bei der Verhandlung gesehen!“

Tamara zog eine Augenbraue hoch und meinte: "Ich hab sie auch gesehen, aber nicht nur bei der Verhandlung. Ich bin Tamara East, die Bordfriseurin." Sie bot ihr die Hand an. "Sie können mich ruhig Tamara nennen."

"Ich war aber noch nie beim Friseur," entgegnete Kadija dümmlich und ignorierte, dass ihr Spiegelbild ihr das Gegenteil bewies. Sie fasste sich wieder und ergriff Tamaras Hand.

"Ensign Kadija Ceram. Kennen Sie sich hier aus? - Tamara?" fügte sie hinzu. Tamara schüttelte bedauernd den Kopf.

"Ich glaube, ich bin hier um Gelder für Prinz Charles Stuart zu beschaffen, damit er seinen Thron zurückerobern kann. Dazu soll ich einen Herzog becircen. Aber ich habe weder eine Ahnung, welchen, noch was die Q damit bezwecken. Vielleicht sollten wir uns da draußen weiter umhören." Kadija öffnete die Tür und prompt fiel der Lärm des Streicherquintetts und tratschender Ballbesucher herein. Sie winkte Tamara.

"Wir sollten dicht zusammenbleiben," meinte sie, dann begaben sie sich zurück aufs Schlachtfeld.

Kadija hatte gewiss nicht vor, Gelder einzutreiben, trotzdem hielt sie Ausschau nach dem gewissen Herzog. Davon gab es allerdings massig. Sie fragte sich, was ihre Anwesenheit bewirken sollte. Was bezweckten die Q?

Sie hatten sich erfolgreich in eine unauffällige Ecke zurückgezogen und beobachteten etwas ratlos das bunte Treiben, als Kadija Prinz Charles entdeckte. Sie machte Tamara auf ihn aufmerksam und im gleichen Augenblick entdeckte er sie.

"Ma chere Louise," er drückte Tamaras Handrücken an seine Lippen, wobei der Puder der Perücke aufwolkte. "Ihr habt Euren versprochenen Tanz noch nicht eingelöst. Darf ich bitten?" Es blieb der Bordfriseurin nichts übrig, als Charles zu folgen.

"Unverschämt, seine Konkubine hierher einzuladen, non?" hörte Kadija die nebenstehende Dame. "Auch wenn er jung heißt das nicht, dass er sich alles erlauben sollte."

Ein Blick zur Seite zeigte Kadija, dass die betreffende Dame sich wohl selbst Hoffnung auf den Bettquietschposten machte. Sie rückte ein wenig zur Seite, Richtung Buffet.

[HtB: Watt ham wa doch’n Glück, dass mit Kadija Ceram eine Person mit so unglaublicher Menschenkenntnis zur Mannschaft gehört...]

Tamara war also die Mätresse des verbannten schottischen Prinzen. Was hatten die Q bloß vor?

"Es ist ein Test," murmelte sie vor sich hin, "nur welcher? Charakterstärke? Richtiges Handeln in der richtigen Situation? Soziales Verantwortungsgefühl entwickeln? Über den eigenen Schatten springen?"

Unruhig durchstreifte sie den Ball, auf der Suche nach dem Clou. Missmutig nahm sie einen kräftigen Schluck des vorzüglichen Rheinweines.

--- eine Stunde später

Was machte das Leben aus? Kadija mochte den Job auf der Mirage, aber jetzt fand sie, hatte sie etwas Spaß verdient. Immer das Beste aus der Situation machen! Und noch einen Schluck! Nachdem sie die dankbare Menge zu einer Tortenschlacht bewegt hatte und ihnen dann die Freuden des Dolchwerfens auf unerwünschte Personen zeigte, war sie der Star der Party und saß rundherum glücklich in einer Schar von Jünglingen, die anscheinend nichts mit sich anzufangen wussten.

"Und am besten nie die Abkürzung durch eine Jeffreysröhre nehmen, das macht die Techniker ganz verrückt...die werden richtig sauer bei so was...aber den Steuermann darf man ärgern, das ist schon ein Sport geworden. Oh, und wartet, bis ihr die Story mit den Wesen hört, die meinen Geist übernommen haben..."

Ja, sie hatte Spaß. Nett von den Q, ihr mal etwas Freizeit zu gönnen. Der Junge in der zweiten Reihe sah auch recht schnuckig aus.

"Das würde ich nicht tun," sagte eine eklige Stimme. Aus der Bahn geworfen drehte Kadija sich überrascht um, sah aber niemanden. "Nur du kannst mich hören."

"Ja klar, sicher. Einen Moment," teilte sie ihrer Zuhörerschaft mit, "ich höre grade eine Stimme in meinem Kopf." Die Schar nickte, das schien nichts außergewöhnliches zu sein.

"Sag, was du zu sagen hast. Ich bin beschäftigt."

Tamara hatte nur ungern mit dem Prinzen getanzt. Mitten im Tanz ging eine Tortenschlacht los. Mit müh und not zog sie sich zu einem ruhigen Plätzchen zurück.

'Was geht hier nur vor?' fragte sie sich. Ein paar Leute liefen Dolchwerfender Weise hinter anderen her. Tamara schüttlte den Kopf. Sie beschloss Kadija zu suchen.

Nach einiger Zeit fand sie diese auch, umringt von Jungen Herren.

"Verzeihung." sagte sie und drängelte sich durch. "Miss Ceram, was in aller Welt machen Sie da?" fragte sie schließlich verständnislos.

"Psst." kam es zurück. "Da will eine Stimme die nur ich hören kann etwas zu mir sagen."

"Klar. Und gleich kommt eine Herde Rosa Elefanten rein gestürmt. Entweder ist es ihr Gewissen, das sich gerade über einen irreparablen Eingriff in die Zeit beschwert oder der Wein is ihnen zu Kopf gestiegen." meinte Tamara und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Wohl eher der Wein," sagte Kadija vergnügt. "Die Elefanten würd ich echt gern sehen..."

"Weißt du, dass du nicht das Geringste während deiner Zeit hier zustande gebracht hast?" fuhr die Stimme unbeeindruckt fort.

"Ich hatte immerhin Spaß. Das war mal ein schöner Urlaub. Danke übrigens."

"Wofür?" fragte Tamara verwirrt.

"Das Kontinuum ist doch keine Reisegesellschaft!" ermahnte die Stimme.

"Damit würde sie aber eine Menge Latinum machen," meinte Kadija. "Solltet ihr euch mal überlegen. Hab ich nun gewonnen?"

"Es geht nicht ums Gewinnen. Trotzdem ist deine Mission fehlgeschlagen. Du und deine Begleiterin, ihr habt nicht herausgefunden, was ihr hier solltet, und auch nicht danach gehandelt. Ihr habt versagt."

Bevor Kadija widersprechen konnte, hörte sie ein scharfes Holzklopfen und fand sich wie vor Beginn ihres Ausfluges im Richtersaal wieder. Diesmal in einem separaten Käfig mit der Aufschrift: Versager.


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