In einer Sekunde würden sie alle sterben!!
Das war zuviel für Dr. Basanis logische Routinen.
Ddas Notstromlicht verschwamm vor seinen Augen und plötzlich veränderte sich die Umgebung...
---EIN EXTREM HELLER RAUM
Fahir Basani, der ehemalige Chefdoktor der USS Mirage, kniff die Augen zusammen. Das grelle Licht war unerträglich. 'Hoffentlich haben die hier ein stabiles Verteilernetzwerk...', dachte er skeptisch völlig unwichtige Dinge vor sich hin, '...bei der Energieverschwendung kann ja schon ein kleiner Blitz zu einem völligen Blackout...'
"Fahir Basani!!", schallte eine Stimme durch die Halle. "Schalter 1257b!"
Basani seufzte erleichtert. Endlich! Ihm kam es vor, als hätte er stundenlang in dieser Schlange von verderbten Kreaturen gestanden. Verschlagene Blicke, klimpernde Beutel, demolierte Gesichter, fieses Gelächter...ihm war klar, wo der größte Teil dieses Abschaums des Universums landen würde. Hinter der linken Tür! Die mit der Treppe nach unten...ganz weit unten!!! Zwei sonnenbebrillte Männer ganz in Schwarz mit silbernen monströsen Blastergewehren in den Händen bewachten den Eingang...
Zum Glück mußte ER da nicht durch...
"Ich bin Basani! Fahir Basani.", erklärte er zuversichtlich dem einarmigen Humanoiden in rotem Gewand, der am Anfang der Warteschlange hinter einem von tausenden Marmorpodesten saß.
"Chefmediziner auf einem Förderationsschiff, gestorben in Ausübung meiner Pflicht...", liess Basani so ganz nebenbei fallen und wandte sich gleich demonstrativ nach rechts, wo ein hauchdünner Marmorpfad über einen lichtüberfluteten Abgrund zu einer schneeweissen Tür führte. In seinem linken Augenwinkel flackerte derweil das dunkelrote Feuer, welches unter dem Pfad zur linken Tür brannte. Doch das brauchte Basani ja nicht weiter zu kümmern....
Der Einarmige hob die Hand. Basani sah sie schon klar nach rechts zeigen, doch Augen und Zeigefinger des Beamten richteten sich plötzlich direkt auf ihn und seine blutleeren Lippen sagten trocken:
"Wackelkandidat."
"Vielen Dank...", erwiderte Basani automatisch und eilte auf die rechte, die Himmelstür zu. Doch weinrot gewandete Robengestalten hielten ihn zurück und plötzlich begriff Fahir, was der Beamte gemeint hatte.
"Was???????? Wackelkandidat? Ich...aber...", ihm fehlten die Worte..."wieso......ich habe stets ... nur das Beste ... für meine Patienten..."
"Ensign Fox... Schalter 1257b! ", rief der Beamte - Basani keines Blickes mehr würdigend - aus. Ein grinsender Mann schlenderte auf den Schalter zu. Der Beamte zeigte ohne hochzugucken auf die linke Tür...
Derweil wurde der protestierende Basani von den stummen Robenträgern in eine Seitenkammer des Lichtgewölbes geschleift - eine schwere Milchglastür klirrte zu, das Licht aus der Vorhalle verschwand und ein irrtierendes Dämmerlicht umgab den Doktor.
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Stunden vergingen.
Nichts geschah.
Irgendwo draußen gab es ab und zu Tumulte, Proteste, das eiserne Scheppern der linken Tür beendete sie stets.
Einmal glaubte Basani den Namen "Tom Carpenter" zu hören, gefolgt vom scheppernden Öffnen der eisernen Höllentür. Doch sie fiel nicht zu. Stattdessen drang seltsames Gelächter durch die Tür in Basanis Kammer und ein Duft von Zimt wehte herein. Dann schlug die Eisentür doch zu, allerdings war noch immer die Stimme des Lachenden zu hören. Das Klingeln der Himmelstür übertönte es, offenbar hatte der Mann die Richter umstimmen...oder zu einer Art Deal überreden können...
Vielleicht bildete sich Basani das aber auch alles nur ein. Das Warten lähmte seinen Geist. Und sein Emotionschip protestierte noch immer gegen die Klassifizierung "Wackelkandidat."
*ZWUSCH* machte es plötzlich und aus dem grau dämmernden Raum war ein endloser Krankensaal mit scheinbar tausenden von Bettreihen geworden. In zwei Reihen standen sie sich gegenüber und verschwanden in endloser Zahl in der Ferne.
Basani war sprachlos, der Anblick wirkte atemberaubend. So steril, so kalt, so endlos, so beklemmend.
"Guten Tag.", sagte eine Stimme hinter Basani. "Ich bin ihr Bewertungshelfer.", stellte ein Mann in grauem Kittel fest. Auf seinem Mitarbeiterabzeichen stand "Wadid Judu", direkt unter dem Firmenlogo: "Jüngstes Gericht & Co KG."
"Hallo...", antworte Basani unsicher, der Mann sah zu freudlos für den Himmel und zu bürokratisch fürs Fegefeuer aus.
"Die Personen in den links aufgereihten Betten...", erläuterte der sogenannnte "Bewertungshelfer", "haben Sie während ihrer Arbeit erfolgreich behandelt. Ihre Gesundheit wurde verbessert, ihr Leben verlängert und sie haben Grund Ihnen, Mr. Basani, für Ihre Existenz dankbar zu sein."
Basani sah auf die linke Reihe. Es war zu dunkel, um etwas genaues erkennen zu können, aber die Reihe sah eigentlich recht lang aus...
"In den rechten Betten liegen diejenigen, Mr. Basani, die durch Ihr Tun oder Nichttun zu Schaden gekommen sind. Physisch oder psychisch, sofort oder Jahre später, es ist ganz gleich. Jeder dieser Personen hätte ohne Ihre Existenz ein besseres Leben gehabt."
Basani sah die rechte Bettenreihe in der Ferne verschwinden, ein Ende war schwer abzusehen.
"Wir werden die Betten nun gemeinsam entlanggegehen, Mr. Basani, falls Sie bei einer oder mehreren Personen die Bewertung des Gerichts anfechten wollen, sind wir offen für Ihre Argumente. Gegebenenfalls werden wir bei einer Neubewertung die Betten umstellen. Bedenken Sie allerdings, dass Sie einzelne Fälle SOFORT reklamieren müssen! Liegt das Bett einmal hinter uns, zählt es auch endgültig für Ihre abschliessende Bewertung. Diese ergibt sich am Ende aus einer einfachen Tatsache: Welche Reihe die längere ist."
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"Selena Baker. Sie haben Ihr auf der Akademie Nieswurz gegen Bauchweh gegeben."
"Stimmt. Sie bat mich darum. Es war nirgends verzeichnet, dass sie dagegen allergisch..."
"Sie haben Ihren Selbstmordversuch also nicht erkannt!"
"WAS??"
Basanis Erschütterung wurde mit jedem rechten Bett größer.
"Fähnrich Stocce. Sie haben eine posttraumische Sprachstörung diagnostiziert
und ihn für dienstuntauglich erklärt."
"Ja, allerdings...", bestätigte Basani argwöhnisch und fügte aufrichtig
hinzu: "...es tat mir damals sehr leid für ihn..."
"Sie hätten die Wahrheit erkennen können!"
"Welche Wahrheit?"
"Fähnrich Stocce ist Viertelmaskulianer! Das maskulianische Paarungsritual beinhaltet eine wochenlange natürliche Sprachblockade, um den Männchen die Partnersuche etwas zu erleichtern!"
Basani wurde langsam panisch. Am Anfang der Bettenreihe war er noch der Meinung gewesen, bei den vielen "Opfern" seiner Behandlung müsse es sich doch um Irrtümer handeln. Er hatte schließlich immer das Wohl seiner Patienten im Sinn gehabt und niemanden absichtlich schlecht versorgt. Jedenfalls nicht sooooo viele...
Und nun das.
"Könnten wir nicht erst die linke Reihe?!"
"Wenn Sie das wünschen."
Der Bewerter schritt mit Basani im Schlepptau zurück an den Anfang der Reihe und begann die links aufgestellten Betten zu kommentieren.
"Crewman Mendossa. Sie haben ihn wegen seines verstauchten Fusses nicht medizinisch behandelt. Nach zwei Wochen ging es ihm dadurch besser. Möglicherweise eine BEWUSSTE gute Entscheidung von Ihnen..."
Basani biss sich auf die Lippe.
"Ja, es schien mir angezeigt...", presste er möglichst zweifelsfrei hervor ... und der Bewerter schritt zum nächsten Bett.
"Captain Thora Wollester. Sie verursachten bei Ihr einen schweren Haarausfall. Ein übermächtiges Q-Wesen, das sich von glatzköpfigen Frauen angezogen fühlt, entführte Miss Wollester von der Mirage und verschaffte Ihr ein sexuell erfülltes Leben."
"Na, das ist doch was...oder?", grinste Basani nervös. Irgendwie schienen seine Behandlungserfolge ziemlich zweifelhaft. Außerdem schickte die Nachricht, dass Captain Wollester scheinbar tot war, ein bohrendes leeres Gefühl durch seine Emotionsroutinen.
"Fähnrich Exon.", fuhr der Gerichtsangestellte in buchhalterischem Tonfall am nächsten Bett fort. "Sie haben ihm zwei Tumore entfernt!"
"Richtig!", frohlockte Basani. "Sonst wäre er gestorben!"
"Er IST gestorben. Ein Uquelianer kann ohne seine Lungen nicht überleben."
"Aber...er steht doch auf der Positiv-Seite! Ich habe ihm geholfen!"
"Ja, das haben Sie. Er wäre am selben Tage von seiner Familie in Säure ertränkt worden, da er eine vorgeschriebene Heirat ablehnte. Sie haben ihn vor einem noch grausameren Tod bewahrt..."
Fahir drehte sich der Kopf.
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Eine Stunde später stand Basani vor der erschütternden Erkenntnis: Eine Bettenreihe war zu Ende. Es war....die linke! Die, denen er "geholfen" hatte. Und auf der rechten Seite verschwanden noch zahlreiche weitere Betten mit "Geschädigten" am Horizont.
"Ihre Erfolge sind zu Ende, Mr. Basani. Ihre Misserfolge ungleich zahlreicher."
"Wieviele sind es denn noch...", flüsterte Basani schockiert.
"322."
Nicht einen Fall hatte Basani anfechten können. Obwohl er bei etwa 500 versucht hatte, Unzurechnungsfähigkeit wegen Drogensucht anzuführen. Ohne Erfolg.
322! Damit stand das Urteil fest. Die Welt wäre besser ohne ihn ausgekommen.
"Also gut, stecken Sie mich in die Hölle!"
Der Bewertungshelfer sah Basani zum ersten Mal mit einer Spur von Verärgerung an.
"Glauben Sie mir, Mr. Basani, das würden wir gern! Allerdings ... die Sicherheitsvorschriften! Mediziner sind rings um das ewige Fegefeuer nicht erlaubt! Sie könnten die Qualen der Gepeinigten zu lindern versuchen!"
Basani war perplex. "Wie bitte?"
"Paragraph 2323 Absatz 13...", bekräftigte der Beamte resigniert. "Keine Mediziner in der Hölle!"
"Aber....", verstand Basani Bahnhof, und redete sich unachtsam um Kopf und Kragen, "...was machen Sie denn, wenn ein Mediziner so viel Mieses tut, dass er nach da unten muss."
"Sie sind der erste...", flüsterte der Beamte leise, doch es traf Basani wie ein Donnerschlag. "...Mediziner haben aufgrund ihrer Berufswahl einen Bonus, es kommt daher sehr selten vor, dass sie durch verderbte Taten ihre positiven Einflüsse auf das Universum zunichte machen. Genauer gesagt, kam es bisher niemals vor..."
Basani wurden die Kniee weich. Seine Kraft reichte kaum noch zur Frage: "Also, was machen wir nun...?"
Der Bewertungshelfer straffte sich: "Mr. Basani, Sie werden in die reale Welt zurückgeschickt. Solange Sie ihre Misserfolge und Missetaten nicht durch genügend anständige, heilsame und hilfreiche Handlungen ausgleichen können, wird Ihnen der Zugang in die Welt des Todes verwehrt."
*ZWUSCH*
Der Beamte verschwand, mit ihm alle Betten und Patienten, Basani stand allein im Raum, wieder war es ringsum grau und zweilichtig.
Ein paar sehr verquere Gedanken geisterten Fahir durch den Kopf, während er versuchte, den letzten Satz des Mannes zu verarbeiten.
Zunächst spürte er Erleichterung, offenbar hatte man ihm so eine Art zweite Chance gegeben, wenn auch durch seltsame Umstände.
Er konnte versuchen, seine gescheiterten Taten wiedergutzumachen! Mindestens 322 Patienten musste er wirklich und wahrhaft helfen!! Basani spürte, wie er von geläuterten Gefühlen durchflutet wurde. Ja, er würde Gutes tun!! Ab sofort!
Doch da war noch ein zweiter Gedanke...
...keinen "Zugang in die Welt des Todes"...hatte der Mann gesagt. Sollte das etwa heissen, solange er verderbt genug für die Hölle handelte, war er unsterblich?????
Auch nicht schlecht - meldete sich ein fieses kleines Emotionsprogramm, das Basani natürlich sogleich unterdrückte....
*ZZZCCCRRYYSSSCCHHH*
Ein ekelhaftes Kreischen zerriss den Raum, von einem Augenaufschlag zum anderen stand Basani wieder auf der Krankenstation der USS Mirage.
Die Alarmsirenen heulten, überall flackerte rotes Notstromlicht und ringsum starrte die Mannschaft auf einen Monitor. Er zeigte die herannahende tödliche Schockwelle.
In einer Sekunde würden sie alle sterben.
Fast alle...
Ein Webangebot von der Crew der USS Mirage NCC 24866